Ich rannte durch die Gegend und überholte auf einem leicht ansteigenden Strässchen einen Mann, der einen schweren Rucksack und eine dick gepackte Tasche hochschleppte. Er redete vor sich hin, und ich nahm an, er würde in ein kleines Mikrophon sprechen und mit irgendjemandem telefonieren. Bereits erhob sich vor mir die massige, behäbige, neu renovierte Kirche des Quartiers. Ich verlangsamte meinen Lauf und beschloss, sie zu besuchen. Den heiligen Raum.

Ich trat in die Kirche, setzte mich in eine Bank und liess die schweren Steine auf mich wirken, das eingelegte Gold und die bunten Fenster, deren mit festem Metall eingefassten Gläser Heilige aufleuchten lassen. Aus der Kuppel strömte gedämpftes Licht, das die sich verjüngenden Kassetten betonte. Da hörte ich die Tür gehen und der beladene Mann betrat ebenfalls das Kirchenschiff.

Er setzte sein Gepäck auf eine Kirchenbank und murmelte mir unverständliche Worte vor sich hin, wandte sich in verschiedene Richtungen, wiederholte seine Worte, doch, so schien es, weniger als betender Besucher, sondern eher den Raum und die Heiligen der Kirche mit Worten und Händen segnend, so dass unklar blieb, ob er in der Rolle des Fürbittenden oder in derjenigen des seinerseits Geweihten den Kirchenraum in gemessenem Gang durchschritt. Ein pilgernder Mönch? Ein Kanonikus aus fremdem Land? Ein weithergereister Besucher der Kirchgemeinde? Und wer war ich? Nur ein zufälliger Beobachter. Nach einer Weile erhob ich mich und kehrte zur Pforte zurück. Auf meinem Weg entdeckte ich, dass sich der Mann in der Nähe seines Gepäcks auf eine Kirchenbank gelegt hatte und zu ruhen schien.

Darf er das? Darf man das? Sich hinlegen in den Räumen des Heiligen? Warum darf man das? Und warum sollte man es nicht dürfen? Entweiht man es? Kann Heiliges entweiht werden? Sicherlich. Eben hat der Mann das Heilige als solches erkannt und anerkannt, ja seine Heiligkeit unterstrichen. Und nun liegt er da und ruht. Er nutzt den heiligen Raum für einen privaten Zweck, und das ist es, was nicht angemessen ist. Heilig heisst der Ort, an dem der Mensch sich aus dem Alltäglichen befreit und sich mit dem verbindet, was über ihn hinausragt, mit dem Göttlichen, das verehrt und gefürchtet sein will.

Den Mann tadeln? Wer mag denn an so etwas denken! Immerhin ist die Kirche beheizt, somit deutlich wärmer als die Strasse, und man versteht die Flucht des beladenen Wanderers vor der Kälte. Wer wollte ihm die Ruhe missgönnen und vergällen! Die Befreiung von der Last! Die Begegnung mit dem Heiligen im Traum!