… Weihnachtsfeier – mit deinen Angehörigen. Noch eben warst du beteiligt. Du feiertest, plaudertest, genossest den Wein. Und plötzlich meinst du, weit weg zu sein, und Bilder drängen sich in dein Bewusstsein. Bilder von ihnen, den Deinen. Aus den verschiedensten Zeiten, ungeordnet, unzusammenhängend. Und du lebst in ihnen weiter, in diesen Bildern, nur Momente, nur verschwindende Augenblicke, Gedächtnisblicke. Und du lebst genau so in diesen Momenten, wie du in der Gegenwart lebst.
Für die Seele ist Zeit eine Einbildung …

… morgens – du erwachst – entrinnst den Träumen – noch ist es Nacht – und du hörst den Regen – weich, sanft, anhaltend – das blasse Licht lässt dich durch deinen vertrauten Raum blicken – deine vertraute Gegenwart empfinden – noch und noch – dich selbst. Du selbst. Ohne Geschichten. Ohne Pflichten. Ohne Begehren. Friede …

… in der Schmalspurbahn – Ein schwarzgekleideter, kleiner, dicker, alter Mann stemmt seinen ebenso schwarzen, dicken Koffer, den er mit Mühe bis zum Abteil geschleppt hat, auf die Bank, setzt sich schwerfällig gegenüber und wartet wie alle anderen Passagiere auf das ebenso schwerfällige Anrollen der alten Schmalspurbahn, der man immer noch täglich zumutet, die aus lauter Kurven bestehende Strecke durch alle Täler und über alle Berge zu bewältigen, und das tut sie auch, mit Ächzen und Stöhnen, Knarren und ab und zu gar mit einem Blitzen, ausgelöst vom hart gefederten Stromabnehmer.

Während der Fahrt sinkt er immer tiefer in sich hinein, der Schwarzgekleidete, und man fragt sich, weshalb er diese beschwerliche Fahrt unternimmt, weshalb er seinem Alter keine Ruhe gönnt. Wer fährt denn noch herum, wenn er es zu Hause bequemer und übersichtlicher hat, und wenn schon: dann hätte er wenigstens auf seinen massigen Koffer verzichten können – warum schleppt einer noch solche Gewichte herum? Für unverzichtbare Verwandtenbesuche reichen doch eine Zahnbürste und etwas Wäsche.

Continue reading