Ask me

… nel museo: «ASK ME» steht auf der Brust der jungen freundlichen Führerin durch die Design-Ausstellung. Design aus den Fünfziger-, Sechzigerjahren. Aus meiner Jugendzeit. Olivetti. Rechenmaschinen, Schreibmaschinen – die ersten Computer. Hier im Rahmen des damaligen Designs von Sofas, Nähmaschinen, Kleiderständer, Büchergestellen, Sesseln in allen Formen: vom Säulenkapitell bis zur überdimensionierten Kusslippe, von der zerquetschten Birne, die heute noch in Wohnungen steht, bis zum exquisiten Lederschaukelstuhl. Sie gleitet mit uns an Glastischen und elegant geschreinerten Kommoden vorbei, führt uns durch all die Schaustücke, die Erinnerungen an die Zeit wecken, in der ich so alt war, wie die Führerin heute.

Aber nicht die Erinnerungen stehen im Mittelpunkt des Interesses, sondern die junge Frau. Etwas blass, mit gewelltem hellbraunem Haar, schlank, mit Maske – die wir hier ja alle tragen, so dass nur die aufmerksamen, ja prüfenden blauen Augen unter den zarten Brauen genauer zu sehen sind.

Ihre freundliche Mühe, mit denen sie uns zusammengewürfelten Geführten die Gegenstände näherbringt, hat etwas Vertrauensvolles, Vertrauenerweckendes, und für eine Weile versinken wir alle in jene Zeit – wohl auch ausgelöst durch ihre Stimme, die mit Achtung, ja mit einem gewissen Stolz die Geschichte jenes Mann ins Zentrum setzt, der hier, in der Lombardei den Aufschwung massgeblich befördert hat: Adriano Olivetti. Schreibmaschinen sind zum Schreiben da – aber auch zur Ankündigung einer neuen Zeit. Einer Nachkriegszeit, einer Zeit, in der man nicht nur im Büro schreibt, sondern unterwegs, unterwegs in eine Zukunft, und so war Olivettis neue Schreibmaschine leuchtend rot, feuerrot, lippenstiftrot, farbig, um neue, farbenfrohe, erotische Gedichte zu schreiben, gefühlvolle, glühende, und nicht nur das, sondern auch Pamphlete, Aufrufe zum Sturz der damals geltenden, lähmenden Ordnung.

Hier im lombardischen Museum ist das Design vereint. Doch die zugeordneten Fotos zeigen die Differenzen. Die wohlgeformten Möbel aus edlem Tropenholz für die bürgerlichen Behausungen, die Kunststoffleuchte und das Transistorradio, die bald auch einmal im Warenhaus zu kaufen sind, für die Studentenbude. Jedenfalls Verheissungen. Die die Welt erstrebenswert machten.

Aus den Erinnerungen an jene Zeit folgen die Wünsche an die junge Designführerin, mit der ich gern noch etwas geplaudert hätte, doch war sie bald einmal mit ihrem Handy beschäftigt, und das bedeutet heutzutage: Stör mich nicht! Ja, gewiss, ein Widerspruch zur Aufschrift auf ihrem Pullover.

Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit meinen Gedanken zu ihr auseinanderzusetzen. Denn ohne Zweifel ist sie selbst Studentin, und ohne Zweifel selbst an der Schule für Design. Und bald schon Mitdesignerin bei einer neuen Verheissung, bei einem neuen Anrollen des Gedankens, der Ideen, der Gestaltung, in einer neuen Welt, mit neuen Formen, neuen Farben, neuen Konstrukten und neuen Plätzen, Häusern, Wohnungen, Tischen, Tellern, Gebäcken. Und allem kommt neue Bedeutungen zu, neue Funktionen, oder vielmehr: keine Funktionen mehr, alles wird sich zu einem Spiel entwickeln, und die Formen würden nicht mehr den Funktionen folgen, sondern die Funktionen würden sich im Spiel der Formen finden.

FFF war ohnehin nur eine Werbemasche: form follows function. Die Form hat sich nie der Funktion unterworfen, sondern ist ihr immer vorausgeeilt, oder hat sie wenigstens eingepackt. Verhüllt wäre das bessere Wort.

In der neuen Welt würde das Museum seine angestammte Funktion verlieren, oder wenigstens verändern, denn es wäre nicht mehr Präsentiertablett vergangener Entwürfe und Geräte, sondern Spielort zukünftiger Formen.

Das wird seine Zeit dauern, und unser Olivetti-Fräulein wäre nicht mehr ganz so jung, sondern reife Frau und stolz auf ihre eigenen Entwürfe, und der verblichene Adriano würde nur noch im Hintergrund lächeln, seinerseits stolz auf seine Nachfolgerin …