Zauberbar

Er schlenderte in seinem eleganten, vor kurzem erstandenen Mäntelchen der Strasse entlang, blieb ab und zu vor einem Schaufenster stehen und blickte mit mässigem Interesse in die Auslagen. Sein Hinken war im Laufe der Zeit derart gering geworden, dass es nur noch von einem aufmerksamen Betrachter wahrgenommen wurde. Er hatte Gott weiss wie lange geübt, empfand er doch seine Behinderung als ausgesprochen beschämend, zumal sie gar keine wirkliche war. In Wahrheit war er höchst schnellfüssig und hätte den Wettkampf mit jedem aufgenommen, gehörte es doch gerade zu seinen Stärken, zu jeder Zeit da und dort und überall und nirgends zu sein.

Schnelligkeit und Präsenz gehörten zu seinen Aufgaben, die ihm sein Herr zugeteilt hatte, und so schnell der Meister Raum und Zeit durcheilte, so schnell war auch er zur Stelle, er, der Teufel, der Diabolos. Das hiess nicht, dass er stets seinem Herrn folgte, im Gegenteil; er mied ihn, wo und wann er nur konnte, und leuchtete sein Meister im Sonnenglanz, so suchte er verhüllt die Dunkelheit, war aber jener Herr verborgen und aus der Schöpfung verschwunden, so tänzelte er im Schein der Bühne und grüsste das Volk und seine Bewunderer auf alle Seiten.

Am liebsten allerdings spazierte er unter Bäumen, blieb nicht nur bei den Auslagen stehen, sondern auch, je nachdem, bei einem der Menschen und pflegte ihn ungeniert zu mustern, aus der Nähe, ja aus höchster Enge heraus, und wehrte sich einer gegen seine Aufdringlichkeit, so war es ihm ein Leichtes, auf der Stelle zu verschwinden und nur einen lauen Lufthauch hinter sich zu lassen.

Wenn er so der Strasse entlangschritt, so mochte er es ab und zu bedauern, dass er den Menschen, zu deren Prüfung sein Herr ihn ja ausdrücklich erschaffen hatte, unbedeutend geworden war, ja dass sie nicht einmal mehr an ihn glaubten. Hörte er allerdings bei seinen Streifzügen gar forsche und vorlauter Reden über seine bewiesene Nichtexistenz, dann zeigte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht, und absichtlich begann er in solchen Momenten stärker zu hinken, wenigstens für ein paar Schritte. Er hatte es keineswegs verlernt.

Freilich war ihm auch nicht verborgen geblieben, dass die Leute, dreist und eingebildet, wie sie waren, nicht mehr an seinen Herrn und Meister glaubten. Sie hatten sich an dessen Stelle gesetzt und kamen sich Wunder was vornehm und überlegen vor. Welch Missachten offensichtlicher Realitäten! Welch Verkennen der Schwäche und Vergänglichkeit dieser Kreaturen!

Doch im Grunde war ihm, dem Teufel, solche Kurzsichtigkeit höchst egal. Ob die Menschen an ihn glaubten oder nicht, machte kaum einen Unterschied. Er, der Teufel, war für die Schlechtigkeiten in der Welt zuständig, für üble Vorsätze und das Ausführen aller Schandtaten, für Mord und Totschlag, für Raub und Vergewaltigung, fürs Lügen und für Schmeicheleien, fürs Fallenstellen und für Treulosigkeit. Das waren alles nur die obersten Optionen einer langen Liste von Teufelsverführungen, die alle zu seinem Ressort gehören.

Nun aber war all das ja längst zur Tagesordnung unter den Menschen geworden, und solange sie bereit waren, selbst die Verantwortung für ihre Bosheiten zu übernehmen oder wenigstens die Schuld unter sich auszumachen, brauchten sie aus seiner Sicht auch nicht an ihn zu glauben. Sie hatten seine Einflüsterungen schlicht nicht mehr nötig. Und die ursprüngliche Mission, nämlich Überwachung und Rapportwesen für seinen Herrn hatte der Teufel ohnehin nie besonders wichtig genommen, weil sein Herr selbst mehr und mehr das Ressort in die eigenen Hände genommen hatte.

Dem Teufel war übrigens die Rangordnung der Schlechtigkeiten ebenfalls vollkommen egal, dies ganz im Gegensatz zu den Menschen, die ihre alltäglichen kleinen Bosheiten an den schweren Untaten innerhalb ihrer weitgestreuten Geschlechtsgenossen massen und sich damit ziemlich wohlfühlten, denn für jeden war es ein Leichtes, bei einer eigenen Schlechtigkeit den Vergleich mit einer noch viel grösseren Niedertracht zu finden. Das wiederum war ganz in des Teufels Sinn, wusste er doch, dass Grosses aus Kleinem entsteht und dass die grössten Schandtaten in unauffälligen stillen Kämmerchen ausgeheckt werden – oft ohne irgend ein Zutun seinerseits. Im Gegenteil, immer wieder fielen Menschen mit den besten Absichten und den reinsten Herzen über andere her, denn sie hatten gemeinhin höhere Werte vor Augen als das schlichte Wohl des Nächsten.

Und wenn sich die Menschen auch nur zu kleinen, wirklich höchst alltäglichen Bosheiten hinreissen liessen, wenn sie schlecht übereinander redeten, wenn sie Zorn und Neid in der Seele kochen liessen, wenn sie eingebildet waren, eitel und stolz, wenn sie allzu gefrässig oder allzu geizig waren, so gab sich der Teufel auch damit zufrieden, im Bewusstsein, dass er es ihnen kaum mehr einflüstern musste, sondern dass sie ganz allein auf die entsprechenden Ideen und Begierden kamen.

Für ihn war das alles nicht eine Frage des Glaubens, sondern der Realität, und er war sich bewusst, dass sein Tätigkeitsfeld allmählich geschrumpft war. Seine Verführungskünste waren weniger gefragt, denn Verführungen gab es mittlerweile allüberall; die Menschen hatten sich mit der Zeit ein ungeheures Arsenal von alltäglichen Verführungen und unerfüllbaren Begehren inszeniert, so dass sie in einem ständigen Kampf mit sich selbst – und nicht mit Gott oder dem Teufel – lagen. Die Menschen waren insgesamt in der Zeit übrigens keineswegs böser oder schlechter geworden, vielleicht sogar einen Deut besser, was den Teufel auch nicht wurmte.

Mochten die Menschen sich selbst ständig verführen und sich selbst ständig dagegen wehren und ihre Zeit damit vertun, ihn störte der Aufgabenschwund keineswegs, denn er war für das Böse zuständig und nicht für ein vom Herrn vorgegebenes Arbeitspensum. So war sein Flanieren durch die morgendlichen Strassen einer der Grossstädte durchaus gerechtfertigt und nicht etwa ein Versäumen seiner Pflichten.

Im Übrigen schob man ihm längst nicht mehr die Schuld für alles Böse in die Schuhe, sondern wälzte die Verantwortung dafür auf den Nachbarn oder auf die Reichen und Mächtigen oder im Gegenteil die gierigen Besitzlosen oder auf die Fremden oder auf irgendwelche Faulenzer oder aufs Klima oder die neuartigen, unsichtbaren Strahlen ab.

Nein, der Teufel hatte ein ganz anderes Problem – genauer genommen zwei Probleme: Unablässig war ihm bewusst, ja litt er darunter, dass das Verhältnis zu seinem Meister ungeklärt war. Er nannte ihn bei sich den «Meister», einerseits, weil es hiess, dieser hätte schlechthin alles erschaffen, also auch ihn, den Teufel, – was der Teufel insgeheim bezweifelte, denn wer hatte dann den Meister erschaffen? Er, der Teufel vermutete bei sich, dass das Erschaffene auch gleichzeitig das Erschaffende sei, dass es sich sozusagen selbst erschaffe; jedenfalls kam ihm das viel logischer vor.

Er nannte ihn auch Meister, weil sich dieser bei einem Kampf, der schon lange, lange zurücklag, so dass die Erinnerung daran allerseits höchst vage und unzuverlässig war, als der Stärkere erwiesen hatte. Es hatte sich um die Herrschaft im Himmel gehandelt, und der Meister hatte ihn, den Teufel, aus diesem gestossen, hatte ihn unter die Erde geworfen, und ihn dort eine Hölle einrichten lassen, für alle jene, die vom Meister verworfen worden waren. Auch hierin blieben die Dinge im Vagen, denn einerseits hatte es geheissen, es werde erst am Ende aller Zeiten abgerechnet, buchhalterisch genau, aber in Tat und Wahrheit hatte er, der Teufel, bereits seit langem diese Hölle zu organisieren und zu führen, das heisst dauernd von neuem umzuorganisieren und zu erweitern, denn unablässig standen ganze Kolonnen von Zuzügern an der Schwelle, die platziert sein wollten.

Diese Arbeit war ihm zusätzlich aufgebürdet worden, und der Teufel war absolut nicht begeistert von ihr. Er hatte es immerhin durchsetzen können, dass ihm ein Heer von Hilfsteufeln zugesellt wurde, um diese höchst freudlose und langweilige Aufgabe der Höllenbewirtschaftung zu übernehmen. Sie bestand hauptsächlich in Brennen, Zwicken und Prügeln der Insassen und im Aufrechterhalten eines gehörigen Feuers, also auf die Dauer eine monotone und entsprechend ermüdende Pflicht, und der Teufel hatte bereits mehrfach den Antrag gestellt, dieser trüben Sinnlosigkeit ein Ende zu setzen, war damit allerdings auf taube Ohren gestossen.

Nein, des Teufels von Stirnrunzeln begleiteten Überlegungen gingen in eine ganz andere Richtung. Genau genommen war weder sein Verhältnis zu seinem Herrn und Meister noch seine Aufgabe wirklich geklärt. Er nannte ihn, seinen Auftraggeber, Herrn und Meister, aber stets mit einem wortlosen, geistigen Vorbehalt, denn so ganz erwiesen war diese Herrschaft keineswegs. Es kursierten zwar die verschiedensten Geschichten über jene früheren Kämpfe zwischen ihnen beiden, die im Sieg des Guten über das Böse und im Höllensturz endeten, doch in der Realität liess ihn der im Himmel übriggebliebene sogenannte gute Herrscher sogleich wieder die Hölle verlassen und die Menschen auf Erden genau wie zuvor prüfen und versuchen. Von einem wirklichen Sieg und von Beherrschen des Feldes konnte also keine Rede sein. Und wenn der gute Herrscher unbedingt die Himmel allein regieren wollte, so machte ihm der Teufel dieses Verlangen nicht einmal streitig. Der Himmel war genau so langweilig wie die Hölle. Jedenfalls nach Meinung des Teufels. Himmlisches Psalmensingen und unablässige Gottesanbetung – wer wollte sich so etwas wünschen, und heimlich bei sich war der Teufel überzeugt, dass dieser himmlische Herrscher noch eitler als er selbst war.

Und so verachtete er insgeheim diesen auf seine Weise penetrant guten Gott, der ihm, dem Teufel, mit samt seinen Handlangern die jenseitigen Übeltaten auf ewig delegiert und sich damit aus der Verantwortung gestohlen hatte. Natürlich stand hinter diesen unerfreulichen Verhältnissen die Hoffnung der Menschen, dass das Gute über das Böse siegen würde, doch viel mehr als eine Hoffnung war das nicht, und von Glauben daran war wie gesagt schon gar keine Rede. Er, der Teufel, hatte unlängst eine Umfrage gestartet und war von Bar zu Kneipe gewandert und hatte jeden und jede gefragt, ob sie oder er glaube, dass das Gute über das Böse siegte, und die Antworten waren durchs Band ein uninteressiertes Schulterzucken gewesen. Die Leute hatte anderes im Kopf als solche moralischen Grundsatzfragen; wichtiger war, ob Arsenal oder Tottenham den Pokal erringen würde und ob im Sommer wieder Jeans mit breiten Taschen und Reissverschlüssen zu sehen seien.

Es war also an einem frischen, aber keineswegs kalten Sonntagmorgen im Frühling, als der Teufel, wie erwähnt, in seinem leichten Mantel durch die Strassen flanierte. Er hatte gar nichts zu tun; die allermeisten Menschen lagen noch schnarchend in ihren Betten, und die Gehsteige waren leer. So betrat er die Bahnhofhalle und setzte sich in ein bereits geöffnetes Bistrot, trank einen Kaffee, ass ein Croissant und bestellte sich daraufhin bei der Wirtin, die mit verträumtem Gesicht die goldenen Zapfhähne polierte, einen Pastis, in der Hoffnung, diesem leeren Sonntagmorgen ein wenig Stimmung zu verleihen. Der Pastis reichte nicht, ebenso wenig ein zweiter und ein dritter, im Gegenteil.

Nicht nur die Hölle langweilte ihn, sondern auch seine Existenz in der Welt – die er, nota bene, nicht selbst gewählt hatte. Sein Part, seine Kunst war das Einflüstern des Bösen. Das hiess aber nicht, dass er selbst böse war und Böses tat. Er tat nur, was ihm befohlen war. Die Menschen versuchen. Er machte ihnen das Böse schmackhaft, verniedlichte es, redete es schön, zog das Gute in Zweifel und bestritt dessen Vorzüge. Er brachte die Leute in Schwierigkeiten, er brachte sie durcheinander, er forderte sie heraus, sie mussten sich Entscheidungen stellen, sie mussten denken, bevor sie handelten. Das war seine Aufgabe, und die war ihm übertragen worden von seinem Meister, von dem gesagt wurde, dass er, der Meister, gleichzeitig der Schöpfer und Ordner des Ganzen war, und der Teufel sein Gegenteil und Widerpart, der Unordner, der stetige Negationist.

Und wenn er es sich genau bedachte, so war doch sein Widerstand gegen den Meister vielmehr ein Widerstand gegen die Rolle gewesen, die dieser ihm zugedacht hatte, und zu der er, der Teufel, gar nichts zu sagen gehabt hatte. Er war zum Bösewicht verdammt worden – und er fragte sich nun: mit welchem Recht? Mit welchem Recht war er zur Unheilflüsterei abkommandiert worden? Welches Recht nahm sich der Gutgott heraus, unheilbringende und unheilige Rollen an ihn, den Diabolos abzuschieben? Es hatte geheissen, er, der Teufel, hätte sich gegen Gott empört, doch das waren Legenden aus einer Zeit, da noch keine Zeugen deren Wahrheit hätten verbürgen können – Legenden dessen, der davon profitierte, durch die Abspaltung alles Bösen und seine Überantwortung an den Teufel auf bequeme Art als reinguter Gott dazustehen.

Der vierte Pastis brachte ihn doch in wärmere Stimmung und diese wiederum weckte seinen Geist. Denn dass auch er ein geistiges Wesen, und zwar eines von der allerfeinsten Sorte, war, daran bestand kein Zweifel. Der Teufel bedachte, dass er sich überaus lange hatte kujonieren lassen, dass er im Grunde als gemeiner Büttel Gottes unterwegs war, wahrlich allzu lang, und bevor sich wieder einmal eine Scham über diese unvorteilhafte und unehrenhafte Rolle seiner bemächtigen konnte, überlegte er sich einen Ausweg aus seiner Lage.

Der Gutgott mochte sich im Kampf als der Stärkere erweisen, zugegeben, aber das hiess noch nicht, dass er die absolute Macht zur Rollenverteilung hatte. Womöglich hatte sich der Teufel das Ganze unnötigerweise aufschwatzen lassen. Er war ein Narr gewesen und hatte es dem Gutgott allzu leicht gemacht. Und sogleich entschloss sich der Teufel, sein Joch abzuschütteln. Gegen den Gutherrscher zu kämpfen war ein Fehler gewesen. Besser wäre, sich ganz einfach seiner undankbaren Aufgabe zu entledigen. Und zwar sogleich. Die Menschen mochten all ihre Schlechtigkeiten und Übeltaten in Zukunft ohne ihn abwickeln. Schlau genug waren sie ja in zwischen.

Aber noch einen weiteren Groll hegte der Teufel gegen seinen Aufgabenverteiler. Er hatte die Menschen zu allen möglichen Schlechtigkeiten zu verführen, zu den übelsten Leidenschaften, deren sie fähig waren, doch hatte es der Herrscher versäumt, ihm selbst, dem Teufel, Leidenschaften zu gönnen. Geistigen Wesen war Macht verliehen, aber keine Leidenschaft. Der Teufel war leidenschaftslos, nicht anders als sein Herrscher. Und seit jeher beneidete er die Menschen um ihre Leidenschaften – die Schwächen, über die sie ja im Allgemeinen zu verführen waren.

Er, der Teufel aber als göttlicher Gegenspieler hatte leidenschaftslos zu sein. Genau so wie Gott. Nur – so besann er sich – wird von diesem Gott behauptet, dass er in früheren Zeiten voller Zorn war, insbesondere über die Menschen, und dass er ihnen mit dem Strafgericht drohte. Der Teufel las daraus, dass die Verhältnisse nicht immer dieselben waren, und dass er sich selbst ja auch an frühere Zeiten erinnern und gar wenden könnte, dass er eine Geschichte hatte, und dass diese Geschichte ja weitergehen oder sich zurückwenden könnte.

In jener Zeit, als Gott noch keineswegs gut war, sondern sich seinem Zorn hingeben konnte und schonungslos ganze Städte brandschatzte, in jener Zeit, da andernorts das Göttliche sich in eine olympische Götterwelt aufsplitterte, da war der Teuflische, der Diabolos, das heisst der Durcheinanderwerfende, da war er durchaus leidenschaftlich, er war sogar der Inbegriff der Leidenschaft, des Eros, er war der Beweger alles Ruhenden, und der Teufel spürte sogleich in sich einen Zorn, dass ausgerechnet er sich zu diesem Auftragnehmer hatte degradieren und anstellen lassen.

Aber er erinnerte sich, dass da ja auch noch die Engel waren, und wenn er sich wieder in seine ursprüngliche Gestalt verwandelte, dann würden die Leidenschaften wieder ihre Macht gewinnen. Sogleich verliess der Teufel seine gemütliche Bar im Bahnhof und machte sich auf die Suche nach den Engeln, den geistvollen Begleitern des guten Gottes, vielleicht würde sich auch unter ihnen ein nach Leidenschaft dürstendes Wesen finden. Doch so sehr er auch suchte, nirgends auf der Welt fand er überhaupt einen Engel und schon gar nicht einen leidenschaftlichen. Sie mussten sich hinauf in die Himmel zurückgezogen haben, so vermutete er, genau wie die vielen Teufelchen, die unter der Erde die Hölle bewohnten. Das Himmlische aber interessierte den Teufel so wenig wie das Höllische; beides waren die Zonen der Langeweile, die Sphären des Immergleichen, und er wunderte sich, dass die Menschen das Himmlische als Erlösung ersehnen konnten.

Unverrichteter Dinge kehrte der Teufel wieder in seine Bar am Bahnhof zurück, bestellte einen weiteren Pastis und noch einen, und schliesslich fragte ihn die Wirtin, ob er noch weitere Wünsche haben; er scheine, als ob ihn Hunger plage, womit sie zweifellos ins Schwarze getroffen hatte. Dabei wies sie zur Tafel an der Wand, wo ein Angebot an wunderbarsten Häppchen und Leckereien aufgelistet war. Suppen und verschiedenste Salate, Brötchen und Sandwiches, Törtchen und Baisers warteten darauf, genossen zu werden. Ja der Teufel meinte, je länger er zur Tafel blicke, desto länger werde die Auswahl.

Es musste eine Zauberbar sein, so überlegte er, wie in alten Geschichten, wo der Reichtum unermesslich war, wenn man einmal sein Versteck gefunden hatte, und er blickte verwundert der Wirtin in die Augen. Diese stand immer noch vor ihm und zeigte ihm mit beiden Händen ihr irdisches Reich, und der Teufel meinte, dass sie, eine üppige, höchst üppige Frau mit weitem Busen und breiten Hüften, mit dickem dunklem Haar, das die Spangen zu sprengen drohte, mit leuchtenden Augen und goldenen Ringen an den Ohren, dass sie mit ihrem Reich sozusagen verschmelzen würde; der Pastis hatte seinen Geist vernebelt, und es war für ihn nicht mehr klar, was zauberhafte Frau und was irdische Gabe und Köstlichkeit war, ja er wähnte, sie umfasse mit ihren Armen alles Irdische und sei gar die Erde selbst, und diese Wirtin Erde umarmte ihn und zog ihn an ihren Busen. In der Umarmung aber erweichte sich das Geistige des Teufels, und das Irdische mengte sich darin und spendete die lang ersehnte Leidenschaftlichkeit, gebunden an alle Wonnen und allen Kummer.

Der Teufel ergab sich ihnen und seiner Lust, die er so lange hatte entbehren müssen; die irdische Wirtin und der gestürzte leidenschaftliche Engel verbanden sich und verschmolzen ineinander; sie feierten Hochzeit und des Teufels Erlösung von einem unerträglichen Amt.

Seither ist die Welt wieder mit Engeln und Teufeln bevölkert; sie sind unfassbar und in stetem Wandel; nymphenartig sind sie und rowdyhaft, leidenschaftlich und jungfräulich, schwergewichtig und zart, geschwätzig und vergeistigt, voller Lachen und voller Tränen, böse und gut zugleich.