… Besuch des Cimitero Monumentale di Milano. Monumental bereits die Pforte, die Phantasie eines orientalisierenden Schosses mit zwei Flügeln – offenbar der herrschaftliche Wohnsitz einer Unzahl von Gebeinen, sämtliche verschlossen hinter grösseren und kleineren Marmortafeln.


Diese sind geschmückt mit verstaubten künstlichen Blumen.


Dahinter, sozusagen im Schlosspark, die riesige Sammlung von Monumenten: alles Gräber wohlhabender Bürgerfamilien. Unvermeidlich fragt sich der Besucher, ob denn solche Monumente dem Tod angemessen seien. Oder dem Gedenken an die Toten.


Er erinnert sich natürlich der Tatsache, dass in den ältesten Zeiten herrschaftlichen Toten herrschaftliche Gräber gewidmet wurden. Zum Gedenken? Oder zum Wohlverwahren? Damit die Toten mit ihrem Wohnsitz auch zufrieden sind und nicht nur ruhen, sondern auch Ruhe geben und somit die Gemüter der Lebendigen nicht allzu sehr bedrängen? Der Besucher sinniert weiter herum und gelangt zum christlichen Verständnis vom Tod, denn immerhin ist der Cimitero eine christliche Angelegenheit, wenn er auch jüdische Gräber umfasst. Im Tod sind doch die Menschen mit Leib und Seele Gott oder dem Teufel geweiht, und ihre irdische Macht und Pracht ist wertlos geworden. Warum dann Monumente? Zur Ehre? Wessen Ehre? Der Toten? Oder der Lebenden, die solche Gräber in Auftrag zu geben vermögen? Nicht verborgen bleibt dem sinnenden Betrachter, dass da und dort, selbst bei grossen Monumenten, auf den Tafeln seit Jahrzehnten freier Platz geblieben ist. Kein weiteres Sterben? Keine neuen Familientote? Oder ist selbst das monumentale Monument ganz einfach in Vergessenheit geraten? Ist inzwischen die Familie verarmt? Ausgewandert? Ausgestorben? Oder scheuten die neuen Verstorbenen die erdrückende Nähe im Familiengrab?